Die Erich Bitter Story, Bitter und Ferrari

von Marcus Meyer (12.01.2022)


In einem der letzten Club-Magazine (des Ferrari-Model-Club) gab es die Vorschläge für das Jahresmodell 2018. Völlig erstaunt stellte ich fest, dass hier zwei Ferrari 250 GT SWB in die Auswahl kamen, die in den 60er Jahren von Erich Bitter pilotiert wurden. Ihn selbst bringt man ja eher mit seinen Opel-Sportwagen als mit Ferrari in Verbindung.

Dies war doch mal ein guter Grund für eine genaue Recherche, schließlich kommt Erich Bitter aus meiner Heimatregion (Gevelsberg/Ennepetal/Schwelm) und genau hier wurden in den 70er- und 80er Jahren auch seine Autos produziert. Auf Opel-Basis waren diese wie gesagt natürlich deutsche und keine italienischen Fahrzeuge. Das Design fand seine Interpretation aber sicher in italienischen Linien. So erinnert der erste Bitter (Typ CD = Coupé Diplomat) an die Maserati-Typen Ghibli und Indy. Der spätere Bitter (SC = Senator Coupé) zeigt als 2+2 Sitzer Parallelen zum Ferrari 400 mit ähnlich ausdrucksstarker Eleganz.

Doch zurück in die westfälische Heimat: auch ich persönlich habe hierzu eine besondere Erinnerung an die frühen 70er Jahre. Das Wohnhaus im Grünen, in dem Erich Bitter in der großen Zeit seines Autobauer-Lebens gewohnt hat, liegt im Stefansbachtal in Gevelsberg, einem Naherholungsgebiet, in dem ich als kleiner Junge sehr oft mit den Eltern spazieren gehen musste oder durfte. Heute wohnt Erich dort längst nicht mehr, aber das Haus steht noch so dort im Grünen wie früher. Ein ehemaliges Fabrikgebäude lag in einem kleinen Waldstück direkt gegenüber. Dieses gibt es heute nicht mehr. Es diente in den frühen 70ern als Treffpunkt für Autoschrauber, z.B. zur Aufbereitung von einigen NSU Prinz oder Opel. Ob es hier einen Bezug zu Erich Bitter gab, ist mir nicht bekannt. Aber diese Ecke bringe ich auch heute immer noch mit coolen Autos in Verbindung.

15-20 Jahre früher liegen die Rennsportanfänge von Erich Bitter. Bereits in den 50er Jahren hatte Bitter sich dem Rennsport verschrieben, doch dies erst auf zwei Rädern. Mit Bismarck-Rennrädern war er ein erfolgreicher Radrennfahrer und hier kommt wieder unsere Heimat ins Spiel. Die Bismarck-Räder wurden in Radevormwald (der Heimat von unserem FMC-Clubfreund Torsten Schaub) geschaffen.



Links das Haus und das Anwesen im Stefansbachtal von Gevelsberg, wo Erich Bitter lange gelebt hat. Rechts das Gelände gegenüber wo das Hammerwerk "Klashammer" seiner Zeit die Heimat von Autoschraubern war. Dieses Gebäude steht nicht mehr.


Das Birmarck-Rennrad mit dem Erich Bitter in den 50er Jahren die ersten Rennsporterfolge feierte.

Das Fahrrad ist heute in der Birmarck-Sonderausstellung in Radevormwald ausgestellt.

Es wurde nach jahrelanger Recherche eher zufällig in einem Keller gefunden.


Heute, gut 60 Jahre später, gibt es in Radevormwald eine Sonderausstellung zum Thema Bismarck-Zweiräder. Diese Ausstellung befindet sich in unmittelbarer Nähe von Torstens Geschäft und wie es der Zufall so will, steht dort genau das Rennrad, mit dem Erich Bitter in den 50ern seine ersten Erfolge erzielte. Zusammen mit dem bekannten Radrennfahrer Hennes Junkermann wurde Bitter einer der ersten Radprofis in Deutschland. Doch schon während seiner Zeit als Radfahrer hatte sich Bitter auch für Autorennen interessiert. Nachdem er seiner Radrennfahrerkarriere beendet hatte reifte der Plan, Autorennen zu fahren. Er arbeitet bei den Schwelmer Eisenwerken, doch eine neue Rennsportherausforderung bahnt sich an. Er liebt den Wettbewerb und lernt in Ennepetal den Karosseriebauer Horst Frischkorn (den Betrieb gibt es heute noch!) kennen, der selbst Rallyefahrer ist. Er hilft ihm bei dem Weg zu den Lizenzen und empfiehlt einen NSU Prinz (mit 30 PS) als geeigneten Einstiegswagen. Die beiden werden ein Rallyeteam und absolvieren viele Veranstaltungen. Unvergessen die Rallye Akropolis 1960, die sie mit einer Alfa Romeo Giulietta Zagato bestreiten. An der griechischen Küste kam es dabei leider zu einem Überschlag. Ohne Windschutzscheibe und mit provisorisch reparierter Hinterachse fuhren die beiden erneut auf eigener Achse zurück, was irgendwie auch geklappt hat. Ein total interessantes Abenteuer, dessen ganze Geschichte den Rahmen dieses Artikel sprengen würde. Diese Rallye hatte die beiden geprägt, in den Folgejahren nahmen sie zweimal mit NSU Prinz an der Rallye-Monte-Carlo teil, jedoch ohne in die Wertung zu kommen. So werden Flugplatzrennen und die Nordschleife am Nürburgring die bevorzugten Einsatzorte der nächsten Rennfahrerjahre. Die NSU-Fahrzeuge mit dem EN-Kennzeichen sind mittlerweile regelmäßig bei Rennen anzutreffen und auch beruflich hat sich Bitter weiterentwickelt. Er hat inzwischen eine NSU-Vertretung in Schwelm, deren Anfänge in einer Fertiggarage mit selbst gebuddelter Grube lagen, das muss man sich heute einmal vorstellen. Doch auch geschäftlich entwickelt sich Bitter weiter. Neben NSU wird er auch Händler für Volvo, doch das Wochenende spielt sich weiterhin auf den Rennstrecken ab. Hier merkt er schnell wie vergesslich die anderen Rennfahrer sind. Immer wieder werden Helme, Rennanzüge, Handschuhe usw. vergessen. Schnell ist die Idee zu einer Art „Bauchladen“ geboren. Die Firma „Rallye Bitter“ verkauft genau diese Accessoires aus einem VW Bus im Fahrerlager. Fortan können Rennfahrer und Besucher bei den Rennen Dunlop-Jacken, Aufkleber und Handschuhe erwerben. Ferrari-Aufkleber gingen weg wie warme Semmeln heißt es, wer fragte damals schon nach Lizenzen?

 

Ob mit diesen Ferrari-Aufklebern der erste Fühler in Richtung italienische Automobile gelegt wurde, ist nicht überliefert, doch es dauerte nicht lange und Bitter lernte Carlo Abarth kennen. Seiner Zeit ein Patriarch, ähnlich wie Enzo Ferrari. Bitter hatte schon ein Abarth-Auto bestellt und suchte den persönlichen Kontakt zu Carlo Abarth, der ihm auch gelang. Durch viel Überredungskunst (auch dies würde diesen Bericht sprengen) gelang es ihm, Abarth zu überzeugen. Erst wurde er der zweite Importeur für Abarth-Fahrzeuge in Deutschland, später dann Abarth-Rennfahrer. Aber auch für Porsche gab es einige Starts. Bitter ging bei den großen Rennleitern, wie beispielsweise auch Huschke von Hanstein, ein und aus. Es folgten Siege am Nürburgring sowie bei der Targa Florio und 1966 erhält er sogar die deutsche Automobilsport Trophäe.  



Bitter CD (rot) und Bitter SC (blau) bei den Feierlichkeiten zu Bitters 80. Geburtstag am Haus Friedrichsbad in Schwelm. Maserati Ghibli und Ferrari 400 lassen grüßen.



Bitter im Abarth 2000 bei der Targa Florio 1969: Bei dem roten Auto wurden zur zusätzlichen Sicherheit die vorderen Frontbleche angebracht. Das Duo Bitter/Kelleners gewann in ihrer Klasse. 

Quelle für das Bild:

www.forum-auto.com


Im Jahr 1968 darf Bitter dann durch einen über Huschke von Hanstein hergestellten Kontakt einen Opel Rekord probefahren, der als Rennwagen modifiziert wurde. Später wird das Auto als „Schwarze Witwe“ bekannt. Bitter ist begeistert, startet bei einem Rennen in Zolder eine Aufholjagd und bleibt der Marke Opel ab jetzt irgendwie treu. Parallel finden die letzten Rennen für Abarth statt. Nach einem Sieg bei der Targa Florio im Abarth 2000 kommt kommt es bei den ADAC-1000km-Nürburgringrennen zu einem schweren Trainingsunfall am Brünnchen. Der 2000er kommt von der Straße ab, bekommt Unterwind, touchiert mehrere Bäume und fängt sofort Feuer. Glücklicherweise trägt Bitter einen feuerfesten Rennanzug (die er selbst vertreibt) und kann sich selbst aus dem Wrack befreien. Da er inzwischen Familie hat, möchte er das Schicksal nicht weiter herausfordern und beendet seine Rennsportkarriere.

Ein weiterer Exkurs nach Bella Italia führt ihn zu den Intermeccanica Sportwagen namens Indra, doch schließlich setzt sich die Verbindung zu Opel durch und Bitter baut ab 1973 eigene Autos. Wie oben bereits beschrieben erst den CD (bis 1979) und später den SC (1980-1989). Es waren namhafte und gut angesehene Autos, die in jener Zeit in Schwelm produziert wurden. Viele Prominente bestellten bei Erich Bitter einen Wagen, weil er einfach nicht alltäglich war. Dies waren beispielsweise die Fußballer Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein von Eintracht Frankfurt, die Skifahrer Christian Neureuther und Rosi Mittermaier, die Sängerin Ireen Sheer, Konsul Weyer oder Rallyefahrerin Heidi Hetzer.

Bis heute wurde dann noch einige Ideen entwickelt, Prototypen geschaffen und Kleinserien gebaut, an die glorreichen Zeiten konnte aber leider nicht mehr angeknüpft werden. Im Jahr 2013 feiert Erich Bitter seinen 80. Geburtstag mit einem großen Treffen in Schwelm. Ich war als „Zaungast“ beim Hotel Friedrichbad dabei und bewunderte die vielen schönen Autos mit ihren italienischen Formen. Auch die „Schwarze Witwe“ war dabei. Das Thema bleibt ein sehr interessantes Kapitel der deutschen Automobilgeschichte, besonders für unsere Heimat im Ennepe-Ruhr-Kreis.

Viele ausführliche Informationen zum Thema Bitter findet man neben diversen Ausführungen im Internet vor allem in dem Buch „Erich Bitter – Rennsport, Automobile, Leben“ von Göbel/Keiss, das 2013 erschienen ist. Doch STOP! Wo tauchen denn hier jetzt die Ferrari-Fahrzeuge auf?


Der rote  Ferrari 250 GT SWB mit der Chassisnummer 2095GT sieht auf diesem Bild arg strapaziert aus.

 

Leider ist nicht bekannt, in welchem Garten das Bild entstand, an der Seite des Autos ist aber der Aufkleber aus dem Rallye-Bitter Sortiment zu sehen.

Hier ist der Beweis:

Der Bitter Ferrari trug EN-Kennzeichen, auch wenn es nur eine rote Kurzzeitnummer war.


Die Marke Ferrari spielte sicherlich nicht die Hauptrolle im Auto-Leben von Erich Bitter, blickt man zurück, so finden sich in der ersten Hälfte der 60er Jahre aber zwei Ferrari-Typen, die von Erich Bitter gefahren und in Rennen eingesetzt wurden. In beiden Fällen handelte es sich um die legendäre Berlinetta, den Ferrari 250 GT SWB („Short Wheel Base“). Zuerst die Nummer 1917GT welche am 18.02.1960 an Helmuth Felder aus Remscheid ausgeliefert, wurde. Diese fand also schon den Weg in unserer Region. Felder setzte den Wagen in verschiedenen Rennen ein und war Gründungsmitglied der Scuderia Colonia rund um Wolfgang Graf Berghe von Trips. Über Felder gelangte der Ferrari später dann zu Peter Nöcker, der zusammen mit Felder die Rennen bestritt. Dieser fuhr auch Rennen für den Düsseldorfer Jaguar-Importeur Peter Lindner, dessen Geschäft in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bitters Geschäft „Rallye Bitter“ lag. So gelangte das Auto zu Erich Bitter, der 1917GT übernahm und dafür einen Jaguar E in Zahlung gab. Bitter selbst verkaufte zu jener Zeit noch NSU und Volvo, also eher keine Hochkaräter vom Schlage eines Ferrari. Der silberne SWB bekam das Kennzeichen „EN-NR 9“ und wurde von Bitter bei verschiedenen Rennen eingesetzt, u.a. bei der Tour de Belgique und beim Bergpreis von Bad Neuenahr, den Bitter gewann. Ein Jahr später verkauft Bitter diesen Ferrari wieder und erhielt in England die damals sehr stolze Summe von 25.000 DM. Wie es der Zufall so wollte, kam das Auto bereits 1977 wieder zurück nach Deutschland. Der Heidelberger Zahnarzt Dr. Siegfried Brunn kaufte den Wagen, der inzwischen rot lackiert war, und zeigte ihn bei diversen Ferrari-Treffen am Oldtimer-Grand-Prix in den späten 70er- und frühen 80er Jahren.

Im Jahr 1964 kommt mit 2095GT ein weiterer SWB in den Fuhrpark von Bitter, den er sich mit dem Rennfahrer Hans-Peter Koepchen teilt. Bitter fährt mit Koepchen zusammen beim ADAC 1000km-Rennen am Nürburgring. Dieser Wagen hatte eine lange Übersetzung und war gegenüber dem silbernen SWB dann besser für Langstreckenrennen als für Bergrennen geeignet. Am Nürburgring trug der rote Wagen die Startnummer „81“ und die Scuderia-Ferrari-Aufkleber aus dem Bitter-Sortiment an den Seiten. Angemeldet war der Ferrari noch beim Vorbesitzer aus Hannover (H-AP 212), wurde dann später erst mit einer roten Nummer aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis bewegt (EN-0435). Einige Wochen später wurde der Ferrari dann über eine Anzeige in „Auto-Motor-und-Sport“ zum Verkauf angeboten:

 

<<Rallye Bitter; 4 Düsseldorf, Adersstr. 48, Tel.: 12581, privat Ennepetal 62533, Ferrari Berlinetta 250 GT, 1961, 33.000km, 1. Hand, Motor, Getriebe und Achse komplett durchgesehen, einwandfreier Zustand, DM 19.800.-. >>

 

Beide ehemaligen Bitter Ferrari haben inzwischen ihre originale Farbe zurückerhalten und wurden in den 2000er Jahren regelmäßig bei historischen Rennen eingesetzt. Die Historien sind auf der Homepage www.barchetta.cc dokumentiert.

Es wäre schön, wenn über ein Jahresmodell des Ferrari-Model-Club der Verbindung „Bitter/Ferrari/EN-Kreis“ ein kleines Denkmal gesetzt werden könnte! Zumindest auf der Jahreshauptversammlung des FMC am 18.02.2018 wurde die Umsetzung beschlossen. Freuen wir uns auf eine schönes Modell am Ende des Jahres!



Links das Buch aus dem Jahr 2013. Rechts die Signatur für den Schreiber dieser Zeilen, angebracht auf Seite 5 des Buches bei der Techno-Classica in Essen 2014.


Ergänzung im Oktober 2018:

Auf dem Jahrestreffen des Ferrari-Model-Club e.V. wurde Ende September das gelungene 1:43-Modell des Bitter-Ferrari an die FMC-Mitglieder, die eines geordert hatten, ausgeliefert. Eine wunderbare edle Verkleinerung des 250 GT SWB in rot!


Quellen:

  • Ferrari-World No. 36 (Bericht von Gregor Schulz), Foto mit Startnummer 81 von R.W. Schlegelmilch
  • Buch über Erich Bitter von Matthias Göbel und Lutz Keiss
  • Ausführungen zu 1917GT und 2095GT auf www.barchetta.cc
  •  s/w-Bilder vom Ferrari 250 SWB aus dem Archiv von Marcel Massini

 

Modellhinweis:

Den Abarth 2000 mit den Startnummer „178“, den Bitter bei der Targa Florio 1969 pilotierte, gibt es übrigens sowohl in 1:43 (Best) als auch als Verkleinerung in 1:18 von Artcraftmodel.